Geschichte der Felsengänge

Der geschichtliche Rückblick auf die Entstehung der unterirdischen Bauwerke beginnt im frühen Mittelalter bei der Anlage von Felsengängen.

Es ist ein Gang kaum 60 cm breit, meist ein aufrecht begehbarer Stollen mit etwa 160 cm Höhe, der zu nichts anderem mühevoll in den Nürnberger Buntsandstein geschlagen wurde, als zur Gewinnung von Wasser und zu dessen Weiterleitung an einen Schöpf- und Ziehbrunnen für die Nürnberger Bürger.

Der Buntsandstein hat schichtweise lehmhaltige Einlagerungen. Das sind wasserundurchlässige Lehmbänke, auf denen das Versickern des Oberflächenwassers verhindert wird. Somit läuft es auf diesem Wasserhorizont in den gegrabenen Wassergang und dann in einer offenen Rinne mit leichtem Gefälle in Richtung des Ziehbrunnenschachts.

Und dieser zentrale und öffentliche Sammelschacht lag am Milchmarkt, dem heutigen Albrecht-Dürer-Platz.

Wann die Gänge in den Fels gehauen wurden, dürfte jedenfalls schon erheblich vor 1459 gewesen sein. Das wissen wir aus den amtlichen Aufzeichnungen des damals amtierenden Röhrenmeisters "Heinrich Scharpf".

Die historischen Wassergänge verloren aber später ihre Bedeutung und gerieten in Vergessenheit.

Geschichte der Felsenkeller

Das heutige Felsenkellerlabyrinth beruht aber auch auf eine zweite Entwicklung. Neben der Wassergewinnung gab es auch einen Bedarf an Lagerstätten. Der Anlass, solche Felsenkeller anzulegen, hängt eng mit der Herstellung von Bier und dessen Verkauf zusammen. In erster Linie durfte nur der Bürger Bier ausschenken, der an Ort und Stelle einen eigenen Keller hatte, wie es eine Satzung von 1380 besagt. Und zwar in der Größe: »zehen schuch tieff und sechzehen schuch weit«, das sind ca. 3,03 x 4,86 m.

Es handelt sich um den ältesten urkundlichen Nachweis über das Bestehen dieser Anlagen. Das schon erwähnte stete Wachstum der Stadt hatte seinen Grund in dem immer umfangreicheren Handel. Es kamen mehr und mehr Waren in die Stadt, darunter auch Wein. Die Kelleranlagen wurden deshalb erweitert oder zusammengelegt, manchmal auch in mehreren Etagen. Um die Temperaturen in den Sommerzeiten niedrig zu halten, hat man im  Winter das Eis aus der Pegnitz hier eingebracht.

Erst 1874 erging ein Beschluss des Rates, dass Kellerkontrollen durchgeführt werden; doch die früheren Grabungen waren so umfangreich, dass sie nicht mehr verlässlich dokumentiert werden konnten. Erst 1964 gab es eine genaue Vermessung. Sie ergab eine Gesamtfläche von fast 20.000 Quadratmeter.

Bauliche Maßnahmen zu Kriegsbeginn und später

Als im August 1940 die Britische Royal Air Force den ersten Luftangriff auf Berlin startete, konnte niemand ahnen, dass damit das bis dahin größte Bauprojekt der deutschen Geschichte ausgelöst werden sollte, das sogenannte "Führer Sofortprogramm" vom 10.Oktober 1940: Jede Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern, die wichtige Verkehrsknotenpunkte oder rüstungswichtige Schlüsselindustrien aufwies, wurde als Luftschutzort erster Ordnung eingestuft. Danach sollten etwa 9% der Großstadtbevölkerung durch bauliche Maßnahmen vor Luftangriffen geschützt werden.

Für Nürnberg bedeutete das: Die Altstadt wurde als sogenanntes »Hauskellermangelgebiet« eingestuft. Daher erinnerte man sich an die alten Felsenkeller. Bereits bei Kriegsbeginn im Jahr 1939 bestand schon ein fast lückenloser Überblick über vorhandene Felsenkeller. Natürlich dienten diese Erkundungen zunächst nur der bombensicheren Bergung von Kunstschätzen. Ab 1940 wurden der Keller »Obere Schmiedgasse« und ein Teil des Kellers am Paniersplatz zu solchen Bergungsräumen ausgebaut. Die hierbei gewonnenen Erfahrungen hat man in den folgenden Jahren beim Ausbau des gesamten Felsenkellersystems für Luftschutzzwecke genutzt.

Die Herrichtung erforderte naturgemäß große bauliche Veränderungen. Trotz erheblichen Baustoffmangels wurden die Ausbauarbeiten am Paniersplatz zügig vorangetrieben, so dass beim Luftangriff am 27/28. August 1943 über 3.000 Personen in der Anlage Schutz suchen konnten. Mit dem Luftschutzbefehl Nr. 93 wurden dann weitere 24 Kelleranlagen zur Nutzung als öffentliche Schutzbauten erfasst und ausgebaut.

Bei aller Problematik, die sich in einer Bewertung des damaligen Luftschutzes in Nürnberg ergeben, muss aber festgestellt werden, dass die gründliche Vorbereitung und der Ausbau des aktiven Luftschutzes sowie die gewissenhafte Durchführung der baulichen Maßnahmen während der Kriegsjahre einen wesentlichen Anteil daran haben, dass Nürnberg trotz schwerster Luftangriffe mit ca. 6.000 Opfern keinen so hohen Blutzoll für die Politik des Dritten Reiches zahlen musste, wie andere vergleichbare Städte.

In Würzburg z.B. wurde diese Zahl schon bei einem einzigen, nur 20 Minuten währenden Luftangriff am 16. März 1945 übertroffen, ganz zu schweigen von den geschätzten 25.000 Opfern in Dresden am 13. Februar 1945.

Nachkriegszeit

Mit der totalen Zerstörung der Altstadt im letzten Kriegsjahr sowie dem Ende des Krieges, das in Nürnberg am 20. April 1945 erfolgte, hatten die unterirdischen Anlagen zunächst ihre Bedeutung verloren. In der darauf folgenden Zeit wurden die Keller von wohnsitzlos gewordenen Bürgern besiedelt oder von anderen mutwillig zerstört, wobei das noch verwertbare Material zum Wiederaufbau geplündert wurde. Sie waren aber für eine wirtschaftliche Nutzung schlichtweg uninteressant und daher wieder einmal nahe daran, vergessen zu werden.

Doch dann zeigten sich schnell erste Verfallserscheinungen, hervorgerufen durch das jahrzehntelang eindringende Tagwasser von den darüber liegenden Ruinengrundstücken. Durch die Erschütterungen des enorm gestiegenen Straßenverkehrs sowie die Unterbrechung der Bewetterungssystems fing der Sandstein an zu verwittern.

Die staatliche Bauverwaltung in Bayern hat bis heute viele bauliche Maßnahmen zur Sicherung der Kellergewölbe ausgeführt. Hierbei wurden die Stollen und Felsenkeller mit armiertem Spritzbeton gesichert. Es handelt sich um Beton, bestehend aus Kiesel mit 3-6 mm Körnung, Quarzsand und Zement. Dieses Gemisch wird unter hohem Druck und mit Wasser, welches erst an der Düse hinzugesetzt wird, gegen den Fels gespritzt.Bis in die heutige Zeit wurden hier Millionenbeträge aufgewendet und weitere Kosten werden auch in der Zukunft nicht ausbleiben, um die darüber liegenden Gebäude sicher zu machen und für die Zukunft zu erhalten.

Zivilschutz – muss das sein?

Als der "Alliierte Kontrollrat" in Berlin die Luftschutzorganisationen und -einrichtungen 1946 auflöste, entstanden erhebliche Lücken im Schutz der Bevölkerung vor Gefahren und Schäden. Trotz aller Bestrebungen diese Lücken zu schließen, bot erst die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 die Möglichkeit für entsprechende Aktivitäten.

Die Teilung Deutschlands, erste Stellvertreterkriege wie der Koreakrieg 1950 und nicht zuletzt die gegenseitige atomare Bedrohung führten schließlich dazu, im Sommer 1951 die Zustimmung zur Wiederaufnahme ziviler Luftschutzmaßnahmen in Westdeutschland zu erhalten. Denn es ist nicht nur eine humanitäre sondern auch rechtliche Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor drohenden Gefahren in Katastrophenfällen zu schützen und die Voraussetzung für die Bewahrung menschlichen Lebens zu schaffen. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik im Jahr 1965 ein "Schutzbaugesetz" erlassen, welches besagt, "alles was Zivilschutz des Zweiten Weltkrieges war, muss dem Zivil- und Katastrophenschutz wieder zugeführt werden, eine Veränderung oder Beseitigung der Keller oder Anlagen bedarf der Genehmigung".

Zunächst wurden daher noch vorhandene alte Hoch- und Tiefbunker, so die vier runden Stadttürme, den Färbertor und den Waffenhofbunker in einem einfachen Programm wieder instandgesetzt. Erst im Jahre 1977 beschloss das Bundeskabinett, dass der Bau von Schutzräumen durch finanzielle Zuschüsse des Bundes gefördert werden soll. Es wurden so private Hausschutzräume und neue Anlagen wie z.B. Mehrzweckanlagen von Tiefgaragen, Bahnhöfen, Behördenschutzräume, errichtet.

Neue Bauliche Richtlinien sollten ein großes Bauprogramm anstoßen. Wenn auf der einen Seite militärisch aufrüstet wird, so wie in den 70er Jahren, muss auch der zivile Bevölkerungsschutz ausreichend berücksichtigen werden. Nach den Baufachlichen Richtlinien für die Nutzbarmachung vorhandener öffentlicher Schutzbunker und unterirdischen Stollenanlagen begann daher die Errichtung von Schutzräumen nach einem stark vereinfachten Programm, dem sog. Nutzbarmachungsprogramm 1977. Die Einschränkungen waren dabei erheblich. So wurde z.B. die Aufenthaltsdauer auf 10 Stunden verkürzt. Sitze und Liegen waren nicht mehr vorgesehen.

Es gab zwei Pilotprojekte hier in Nürnberg, um neue Erkenntnisse für die Nutzbarmachung von unterirdischen Stollenanlagen zu gewinnen, nämlich den Ausbau des kleinen und des großen Tucherkellers zu Zivilschutzräumen. Dadurch wurden Mitte der 80-er Jahre 590 bzw. 1290 Schutzplätze geschaffen.

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es keine Ausbauprogramme mehr für den Zivilschutz. Aus diesem Grunde hat der Bund im Einvernehmen mit den Ländern im Jahr 2007 beschlossen, das bisherige Konzept aufzugeben.

Gegenwärtige Situation

Das Zivile Neuordnungsgesetz (ZSNeuOG) regelte nur noch die Wartungs- und Unterhaltungsleistungen. Seit 2007 ließ man wegen fehlender Haushaltsmittel keine Wartung mehr ausführen und alles abschalten. Seit Dezember 2009 ist der Zivilschutz der Bundesrepublik dann endgültig ausgelaufen. Grund dafür war die weltweite politische Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges. Nun werden die Bunkeranlagen Zug um Zug aus der Zivilschutzbindung entlassen und allmählich zurückgebaut oder veräußert.

Heutige Nutzung der Felsenkelleranlagen

  1. Im Jahr 1954 wurde in einem ehemaligen Luftschutzkeller in der Nähe vom Paniersplatz der Jazz Club Nürnberg gegründet und als Spielstätte genutzt, daraus ist das heutige JazzStudio e.V. aus der Taufe gehoben worden. Es ist eines der ältesten Clubs seiner Art in Europa.
  2. Die ehemalige Rettungsstelle neben dem Panierskeller wurde nach dem Krieg als erstes Badehaus umgebaut und privat genutzt. Wann die Nutzung eingestellt wurde, ist nicht bekannt.
  3. Der ehemalige Bergeraum für Kunstgüter in der Oberen Schmiedgasse 52 ist heute "Historischer Kunstbunker" im Museumsverband der Stadt Nürnberg und wird vom "Förderverein Nürnberger Felsengänge" bewirtschaftet.
  4. Einige Flächen, die nicht vom AKG Programm anerkannt wurden, liegen in der Obhut des Förderverein Nürnberger Felsengänge und sind zu Besichtigungen freigegeben.
  5. In den Kasematten, die unterirdische Verteidigungsgänge tief unter den Basteien und der Kaiserburg, sowie die Lochwasserleitungen, führt ebenfalls der "Förderverein Nürnberger Felsengänge" interessante Rundgänge.

Quellen

  • www.felsengaenge-nuernberg.de
  • Nürnberg: Kaiser, Knechte, Kasematten, eine Stadtführung in Nbg am 12.09.2009
  • Arbeitsgebiet Uwe Kabelitz "Zivile Baumaßnahmen des Bundes", -
  • Sachgebiet der Landesbaudirektion Nürnberg an der Autobahndirektion Nordbayern
  • www.bunker-whv.de/historie/ sofortprogramm
  • www.momentum-magazin.de/de/beten-in-beton-der Luftschutzbunker
  • Zivilverteidigung, Heft 1 1978, Aufsatz von Otto Schaible
  • Walter Herppich, Das Unterirdische Nürnberg, 1987
  • Georg Wolfgang Schramm, Bomber auf Nürnberg
  • Georg Wolfgang Schramm, Der zivile Luftschutz in Nbg, Schriftenreihe des Stadtarchivs
  • Christian Koch, Rainer Büschel, Uli Kuhnle, Trümmerjahre
  • Karl Kunze, Nürnberger Forschungen Nr. 28
  • Wikipedia Internet